Eigentlich dachte ich Schweden wäre nicht so cool.

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Hügelchen statt Berge, von Mücken belagerte Seen und nur sehr wenige grandiose Aussichten. Das war meine Vorstellung von Schweden. Aber weit gefehlt (außer die Mücken, die lieben die Seen wirklich). Berge gibt es doch, auch wenn sie nicht so dramatisch und spektakulär aussehen wie die norwegischen und grandiose Aussichten sind sowieso vorhanden. 

Bei meiner Ankunft in Schweden und der Fahrt von Haparanda nach Östersund wurde ich mit phänomenalem Licht und blühenden Wiesen beglückt. Niedliche rote Häuschen und ein perfekter Sonnenuntergang nach einem Regenschauer änderten meine Meinung zwar noch nicht (ich bin zwar leicht zu begeistern, aber nicht leicht zu überzeugen), die Tage danach waren aber perfekt.

Endlich war die Sonne zurückgekehrt. Endlich, endlich, endlich. Parallel kam auch meine Wandermotivation zurück. Ziemlich spontan entschied ich mich für einen Marsch im Vålådalen Naturreservat (so ein schönes Fleckchen Erde). Voller Ambitionen packte ich abends gegen 19 Uhr meinen Rucksack inkl. Zelt, Schlafsack und Verpflegung (ich sag ja, ich war motiviert) und machte mich, bewaffnet mit Mückenspray und Imkerhütchen auf den Weg zur Lunndörrstugan. Die Sonne schien mir in den Rücken und ich wanderte 14 km durch Wald und beplankte Moore

und traf, genau, Niemanden. Falsch. Mücken, Eulen, Vögel, Elche aber keinen einzigen Menschen. Die Hütte hatte noch bis Mittsommer geschlossen und das kleine, verlassene Fjelldörflein schien dadurch zwar unendlich friedlich, zugleich jedoch auch ein klitzekleines bisschen gespenstisch. Das motivierte Angsthäschen in mir entschied sich daher auf eine Nacht im Zelt zu verzichten und den Rückweg Richtung Carl anzutreten. Den selben Weg zurück gehen ist immer blöd, deswegen wurden die 14 km um zwei erweitert und auf 16 km die nächtliche, schwedische Natur genossen. Guuut, die letzten sechs waren dann doch eher weniger Genuss, aber mein Mantra “Jeder Gang macht schlank” hilft bei jedem Motivationstief. Zusätzlich wurde ich durch einen wunderschönen Sonnenaufgang beglückt. Eins war klar: Schweden, nächstes Jahr komm ich wieder!

Die darauffolgenden Nacht verbrachten Carl und ich im Beisein einer Rentierherde, die uns pünktlich um 6:30 Uhr weckte. Frühstückszeit. Das Wetter wurde wieder schlechter und spontan entschied ich den Abschnitt Skandinavien zu beenden und für ein paar Tage den einzigartig schönen, deutschen Sommer zu genießen, bevor es weiter nach Südeuropa gehen sollte.

Aber weit gefehlt. Denn. Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Nach vier Tagen in der Heimat wurden alle Reisepläne von den französischen Pyrenäen bis hin zu den Dolomiten kurzerhand über den Haufen geworfen und der hohe Norden rückte wieder in den Fokus. Am 1. Juli ging es wieder los und zwei Tage später startete ich schwer bepackt wie ein Lastesel zur 4-Tages-Wanderung im Vålådalen Naturreservat. Das mit dem Angsthäschen konnte ich nämlich nicht auf mir sitzen lassen!

Kurze Zusammenfassung: Es war spektakulär, ruhig, manchmal etwas anstrengend, die Flüsse außerordentlich erfrischend und die Hängebrücken stetige Wegbegleiter.

Nach der erfolgreich bestandenen multi-day-trekking-tour war mein Wander-Ego vollends zufrieden und die darauf folgenden Tage verbrachten Carl und ich an einem wunderschönen Parkplatz am Fluss. Ich übte mich in der hohen Kunst des Aquarellmalens, kochte Nudeln mit Pesto und badete im klaren Flüsschen. Schön war’s. Die Wochen davor tat ich mich außerordentlich schwer mit dem einfach Nichts tun (wobei Lamas malen ja eigentlich auch eine sehr anspruchsvolle Aufgabe ist). Ich hatte die Ambition möglichst viele, total coole Dinge zu sehen, bin weiter gefahren obwohl ich gar keine Lust hatte Auto zu fahren, hatte tausende Pläne und war manchmal enttäuscht sie nicht alle abgearbeitet zu haben. Dumm, dumm, dumm. Wenigstens kam die Erkenntnis, dass ab und zu mal ausgiebig Faulenzen oder “keine Pläne- Pläne”, wie ich sie liebevoll nannte, haben, richtig, richtig gut sein kann.

Nach ein paar Tagen Netflix&Chill, kurzen oder längeren Wanderungen mit und ohne Zelt (unteranderem im Abisko Nationalpark), vielen Nudeln mit Pesto und Curry (also Curry mit Reis, nicht mit Nudeln) fuhr ich nochmal nach Norwegen. Am 24. Juli erwartete ich nämlich hohen Besuch in Trondheim. Und zwar einen sehr spontanen Auto-Ausbau-Kumpan aus meinem Heimatstädtchen, der von mir über eine gemeinsame Freundin erfahren hat (Danke Johanna!) und mir daraufhin eine zuckersüße E-Mail geschrieben hat.

Alleine Reisen ist super. Ich hab es sehr genossen meine keine Pläne- Pläne ständig über den Haufen zu werfen und neue zu schmieden, das zu kochen worauf ich Lust hatte, den Zeltplatz ganz alleine zu bestimmen, pipapo und das ganze ohne Vorab-Diskussion (außer mit mir selbst) - Bestimmer zu sein, ganz ohne Kompromisse. Andere Menschen habe ich durch das Alleine-Reisen immer sehr schnell und einfach kennengelernt. Nette Gespräche, ein gemeinsames Essen und kleine Pläuschchen gab es oft. Dennoch fiel es mir nach einigen Wochen immer schwerer abzugrenzen, ob der Alleine-sein-Zustand ein reiner Zustand ist, den ich oft positiv, manchmal aber auch negativ bewertete oder ob sich ein klitzekleines bisschen das Gefühl von Einsamkeit einstellte. Ich freute mich jedenfalls auf meinen Besuch und auf ein bisschen norwegische Luft.

Nochmal Senja und zwar ganz ohne Regen und Hagel, dafür mit jeder Menge Sonne, Bikiniwetter und kitschigen Sonnenuntergängen. So hab ich mir das vorgestellt. Auch der Svartisen Gletscher war sehr beeindruckend und das niedliche Trondheim verzauberte mit seinen bunten Häuschen und netten Läden (wenn das der Sightseeing-Grinch sagt, muss das was heißen). Dann war auch schon der 24. und ich holte meine neue Reisebegleitung Max vom Flughafen ab. Da der Wetterbericht für das Jotunheimen Gebirge nicht besonders gut war, entschieden wir einstimmig zurück nach Schweden zu fahren und uns ins Trekking Abenteuer zu stürzen. 4 Tages-Wanderung mit 25 km pro Tag und 25 kg auf dem Rücken (+ schwerwiegende Survival Tipps in der Seitentasche) und der Gewissheit ständig von wilden Rentieren angefallen werden zu können, pampampam. Wir hatten große, wirklich sehr große Bear Grylls- Pläne. Knapp haben wir überlebt, aber nur weil wir auch zusammen ganz wunderbar darin waren Pläne über den Haufen zu werfen. Das Wetter war aber auch einfach prädestiniert dafür um am See zu liegen, Marshmallows in der Pfanne zum Schmelzen zu bringen und den Schweden-Trip kurzerhand in Mallorca-Strand-Urlaub umzuwandeln.

Nach einer sehr entspannten Woche ging es dann gemeinsam wieder Richtung Heimat mit kleinen, wunderbaren Abstechern nach Stockholm und Kopenhagen. Zivilisation lässt sich zu zweit viel besser ertragen und generell kommt alles Erstens anders und Zweitens als man denkt.

Schweden ist jedenfalls ein grandioses Land mit ganz viel unberührter Natur, niedlichen roten Häuschen und sehr, sehr freundlichen und hilfsbereiten Menschen.

Küsschen auf’s Nüsschen!